Rede zur Nachttanzdemo „Can’t believe we still have to protest this shit“ (25.08.2019) von FU*K:
„Wir sind heute hier um unsere Solidarität mit Nora Szász und Natascha Nicklaus sowie auch allen anderen wegen §219a angezeigten und angeklagten Ärzt*innen zu zeigen. Wir sind hier um gegen die Paragraphen 218 und 219a StGB zu protestieren, die Schwangerschaftsabbrüche und das Informieren über diese kriminalisieren. Wir stehen hier für die Selbstbestimmung über unsere Körper, die wir uns nicht nehmen lassen möchten von sogenannten LebensschützerInnen.
Wir wollen uns gar nicht lange mit den Argumentationen dieser LebensschützerInnen auseinandersetzen:
Ihre Argumentationen sind moralisierend und emotional aufgeladen. Die LebensschützerInnen versuchen mit Grafiken und Bildern deutlich zu machen, dass bereits am Anfang einer Schwangerschaft ein von ‚Gott gewolltes und beseeltes‘ Leben zum Vorschein komme. Ein Leben, welches in ihren Augen mehr Wert zu sein scheint, als das der schwangeren Menschen selbst. Die Bezeichnung Lebensschutz ist hierbei ein Hohn. Die Gefahren die illegalisierte und kriminalisierte Abtreibungen für Schwangere erzeugen können sind kein Schutz, sondern im Gegenteil lebensgefährlich.
Was verschiedene feministische Strömungen schon seit Jahren fordern, und zwar einen selbstbestimmten Umgang mit Körper und Sexualität, ist LebensschützerInnen ein Dorn im Auge. Es geht hier längst nicht nur um den Schutz ungeborenen Lebens, sondern auch um die Aufrechterhaltung konservativer Rollenbilder, speziell um das Bild einer Frau, welche dazu gemacht ist Kinder zu kriegen und sich diesem Zweck unterzuordnen hat. Auch nationalistische, völkische und rechte Ideologien finden Anschluss an die Argumentationen der LebensschützerInnen. Kinder kriegen sollen letztendlich vor allem weiße, gesunde, heterosexuelle Paare, die der bürgerlichen Klasse angehören.
Schwangerschaft steht aus Sicht dieser AbtreibungsgegnerInnen nicht nur im Dienst für Gott, sondern entspricht ebenso der Verantwortung, die Frauen gegenüber dem Volk haben. Dieses Phänomen ist jedoch nicht nur bei christlichen FundamentalistInnen, Bewegungen, wie der der Besorgten Eltern oder rechten Strömungen zu finden. Auch die bürgerliche Mitte glänzt immer wieder mit jener konservativen Weltsicht. Das kotzt uns an.
Dass nicht alle Frauen Mutter sein wollen oder können, oder auch Nicht-Frauen Kinder gebären wollen und können, scheint ihr Weltbild so dermaßen anzugreifen, dass sie immer wieder auf Argumentationen der Ablehnung oder Leugnung zurückgreifen müssen. Alle vermeintlich ‚anderen‘ Lebensvorstellungen, Sexualitäten, Geschlechtsidentitäten etc. werden abgewertet und pathologisiert. Zurückgegriffen wird dabei gerne auf Argumentationen von Natur und Natürlichkeit. Dass diese angebliche Natürlichkeit dabei nur ein Pochen auf konservative binäre Vorstellungen ist, und das Beharren auf eine patriarchale Geschlechterhierarchie, die keinesfalls natürlich ist, lassen sie dabei unerwähnt.
Wir sind heute hier, weil wir verdeutlichen wollen, dass die Frage nach einem Schwangerschaftsabbruch nicht nur Frauen betrifft. Auch queere Personen, die nicht Frauen sind, können vor der Frage eines Schwangerschaftsabbruches stehen! Sie stehen darüber hinaus vor der Schwierigkeit ein Gesundheitssystem nutzen zu müssen, welches alle Personen,die schwanger werden können, als potenzielle „Mütter“ bezeichnet (Urteil BGH), unabhängig von der eigenen Geschlechtsidentität! Auch hier gibt es noch viel, was sich ändern muss. Unsere Körper sind unsere eigenen und die Bestimmung über diese ist unsere Entscheidung, die keine Gutachten, Bescheinigungen oder amtlichen Nachweise benötigt – ob bei Schwangerschaftsabbrüchen oder anderen Entscheidungen, die unsere Körper betreffen.
Deshalb stehen wir heute hier und bekunden unsere Solidarität mit Nora Szász und Natascha Nicklaus sowie all ihren Unterstützer*innen!
Und wir fordern nicht nur die Abschaffung des §219a des StGB und somit das Recht darauf, niedrigschwellig Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zu bekommen, für alle, wann und wie wir wollen!
Wir fordern auch die Abschaffung des §218 StGB, der Schwangerschaftsabbrüche noch immer unter Strafe stellt.
Wir fordern kostenlosen und rezeptfreien Zugang zu Verhütungsmitteln und der Pille danach!
Wir fordern einen wirklichen, selbstbestimmten Umgang mit unseren Körpern!
Wir fordern die Aufmerksamkeit und Anerkennung dafür, dass das Recht, über Abtreibungen informiert zu werden nicht nur Frauen betrifft.
Wir fordern die juristische Anerkennung dafür, dass schwangere Personen und Eltern entsprechend ihrer eigenen Geschlechtsidentität bezeichnet werden!
Our bodies, our choice!
Für eine Gesellschaft ohne Sexismus, Rassismus, Nationalismus und Volk!