Verbindungen zwischen Lebensschützer*innen und der Neuen Rechten

Die Lebensschutzbewegung gibt sich gerne pluralistisch und offen für verschiedene politische und religiöse Anschauungen wie z.B. der Verein AlfA „Aktion Lebensrecht für Alle e.V.“ auf seiner Homepage schreibt [vgl. 1].

Diese nach außen hin betonte Offenheit erfährt aber schnell Grenzen, wenn es um feministische Politiken wie, zum Beispiel, ein Infragestellen der Zweigeschlechtlichkeit geht, in denen die Bewegung eine Gefährdung ihres Weltbildes sieht.

Betrachtet man die Thesen der LebensschützerInnen zeigen sich sowohl inhaltliche als auch personelle, sowie organisatorische Überschneidungen zu rechtskonservativen Themen und Gruppierungen. Kommentiert werden diese Gemeinsamkeiten von Seiten der LebensschützerInnen wie Hartmut Steeb, dem Generalsekretär der „Deutschen Evangelischen Allianz“ (DEA) mit den Worten „ist das jetzt alles falsch, weil es von den „falschen“ Leuten kommt“[2]. Oder auch von dem Beauftragten eben dieser „Deutschen Evangelischen Allianz“ (DEA) am Deutschen Bundestag Uwe Heimowski „Aber zu wichtigen Themen zu schweigen, nur weil „die Falschen“ die gleiche Meinung haben, ist sicher keine Alternative“[3].

Inhaltliche Überschneidungen zu Parteien wie der AfD

Familienbild

Während sich die Lebensschutzbewegung in Deutschland gerne nicht direkt mit der Bewegung der Neuen Rechten in Verbindung bringen lässt und dazu erscheinenden Artikeln auf ihrer Seite offiziell widerspricht[4], lassen sich doch inhaltliche Überschneidungen zu neurechten Parteien, wie der AfD (Alternative für Deutschland) oder auch der Bewegung Pegida fest stellen.

So findet sich bereits im Grundsatzprogramm der AfD ein direktes Bekenntnis zum Lebensschutz: Unter dem Titel „Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene“ heißt es „Die AfD wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären“[5].

Diese Anspielung auf den Begriff „Willkommenskultur“, der bei Berichterstattungen über EinwanderInnen immer wieder auftaucht, fällt dabei als provokante Äußerung ins Auge. Der Begriff ist auch bei der Ankündigung des „Marsch für das Leben“, einer jährlich vom Bundesverband Lebensrecht e.V (BvL) organisierten Demonstration „zum Schutz des menschlichen Lebens“ präsent[6].

Und wer möchte der Aussage, das Leben schützen zu wollen, schon widersprechen. Schaut mensch aber genauer auf die Anliegen des Bundesverband Lebensrecht e.V. trifft mensch auf ein ebenso von der AfD vertretenes. konservatives Familienbild [vgl. 7].

Das „Treffen Christlicher Lebensrechts-Gruppen e.V.“ (TCLG) Organisator der (heutigen) Veranstaltung in Kassel und Mitglied des BvL verlinkt zu diesem Thema die Broschüre der evangelischen Allianzen „Familie braucht Zukunft“[8]. Dort wird auf das „natürliche Recht der Eltern auf Erziehung“ verwiesen. „Familien“ und „Ehen“ werden als „bewährte schöpfungsgemäße Struktur[en] des Zusammenlebens“ und als „von Gott gegebene Elementarformen der Gemeinschaft“ beschrieben[8].

Bei der „Demo für alle“ im Februar 2016 vertrat Hartmut Steeb, Generalsekretär der Evangelischen Allianz und Vorsitzender des TCLG, dabei seine Vorstellungen von „Ehe und Familie“:

Er stilisiert sich dabei als einer von Unten und als Opfer, das sich geächtet fühlt beim Protest gegen eine „gottlose Kulturrevolution von oben“. Er trete ein „für den Schutz von Ehe und Familie“ – „nicht uminterpretiert, sondern wie seit tausenden von Jahren längst geklärt als die lebenslängliche öffentlich geschlossene Liebes- und Treuegemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann und Familie als die eheliche Gemeinschaft mit Kindern“ mit klarer Betonung auf den Worten „einer“ und einem“[9]. Zusammen mit der „Natürlichkeit“ der Geschlechterrollen oder in seinen Worten „von Gott so gewollt als männlich oder weiblich geboren“ zeigt sich ein antifeministisches, homo- und trans*feindliches Menschen- und Familienbild, was die AfD nicht anders formulieren würde.

Diese inhaltlichen Überschneidungen im Familienbild führen dazu, dass sich zum einen Parteien wie die AfD mit ihrer Untergruppierung „Christen in der AfD“ um die Gunst von LebensschützerInnen und anderen christlichen FundamentalistInnen bemühen. So liefert beispielsweise Anette Schultner, Bundessprecherin der „Christen in der AfD“, in einem Artikel von der evangelischen Nachrichtenagentur idea eine Reihe von Argumenten, warum die AfD für Christen wählbar sei [10]. Sie geht dabei vor allem auf die oben schon beschriebenen Punkte ein, dass die AfD die „christlichen Wurzeln unserer Kultur und unseres Staates“ verteidigen wolle, die „traditionelle“ Ehe befürworte, sowie das gemeinsame Feindbild „Gender Mainstreaming“- hier verstanden als „unbiblische Entwicklung“ und „Frühsexualisierung an Schulen“ ablehne.

Rassismus

Die in manchen Augen in Bezug auf christliche Nächstenliebe eher unchristlich erscheinende politische Haltung zum Umgang mit Geflüchteten (der AfD) versucht Anette Schultner zu relativieren, indem sie zwischen sogenannten „Wirtschaftsflüchtlingen“ und „politisch Verfolgten“ unterscheidet. Ob der Asylgrund Wirtschaft eine Abschiebung damit christlicher macht, bleibt allerdings offen.

Das Thema Rassismus wird unter LebensschützerInnen und anderen Evangelikalen aber anscheinend unterschiedlich betrachtet:

So äußert sich der Beauftragte der „Deutschen Evangelischen Allianz“ für den deutschen Bundestag Uwe Heimowski einerseits kritisch dem Rassismus der AfD gegenüber [11], schließt aber andererseits Zusammenarbeiten zu anderen Themen nicht aus.

Hartmut Steeb äußert im Interview mit der Zeitung „Junge Freiheit“ mit der Aussage, er habe Angst vor „einer möglichen schleichenden Islamisierung“ [12], indirekt eine Furcht vor dem „Untergang des christlichen Abendlandes“.

Steeb kritisiert zwar einen Artikel des Spiegels [13], der ihn mit der AfD und Pegida in Verbindung bringt, führt aber als Argument dagegen nur auf, dass zwischen seinem Interview und dem Aufkommen von Pegida mehrere Jahren liegen. Von seiner damaligen Aussage zur „Islamisierung“ dagegen distanziert er sich auch 2015 nicht [14].

Diese angebliche Angst vor dem Aussterben des so bezeichneten „Deutschen Volkes“ durch den Einfluss „des Islams“ findet sich nicht nur bei der AfD [vgl. 15], sondern auch bei anderen evangelikalen VertreterInnen. Der evangelikale Islamexperte Eberhart Tröger schürt die Angst vor „dem Islam“ und beschreibt eine „Unterwanderung“ „mit einer langfristigen Strategie“ [ 16].

Feindbild: Feminismus

Auch weitere auf dem Lebensschutzforum vertretene ReferentInnen standen schon für die „Junge Freiheit“ für Interviews zur Verfügung. Die Autorin und Lebensschützerin Alexandra Linder, Vorsitzende des Vereins AlfA, positionierte sich in einem Interview zu ihrem Buch „Geschäft Abtreibung“ auch zum Feminismus. Sie vertritt dabei eine weit verbreitete Position der LebensschützerInnen: Frauen, die ihre Kinder eigentlich immer bekommen möchten, würden nur aufgrund von Problemen zu einer Abtreibung gezwungen werden. Die Schuld, dass kein anderer Weg genommen werden könne, wird dann „dem Feminismus“ gegeben: „Wir haben es mit einer falsch verstandenen Emanzipation zu tun, die sich gegen die Frauen [17] wendet. Statt die Probleme der Frauen zu lösen – was ihrem wirklichen, emanzipierten Willen entspräche, weil sie ihre Kinder eigentlich bekommen möchten –, werden sie instrumentalisiert, um eine feministische Ideologie durchzusetzen“ [18].

Diese Aussage vernachlässigt zum einen komplett die Menschen*, die abtreiben, weil sie keine Kinder bekommen möchten und auch nie den Wunsch hatten und zeigt zum anderen ein Feindbild der LebensschützerInnen auf feministische Politiken.

Auch dieses Feindbild taucht bei der AfD auf, bei der Feminismen ebenso undifferenziert als eine Ideologie „Feminismus“ verstanden werden. Als Beispiel dafür kann die Kampagne der „Jungen Alternativen“ „Ich bin keine Feministin“ genannt werden [19].

Organisatorische Überschneidungen

Diese inhaltlichen Überschneidungen zeigen sich auch in personellen sowie organisatorischen Verbindungen in Medien und Netzwerken. Hier tauchen Namen wie Beatrix von Storch und auch Hartmut Steeb in einem verwobenen Netzwerk öfter auf. An dieser Stelle kann nur ein Teil davon wiedergegeben werden.

Junge Freiheit und Bibliothek des Konservatismus

Wie oben beschrieben lassen sich beispielsweise Hartmut Steeb, und Alexandra Linder – beide Aktiv in der Lebensschutzbewegung – von der „Jungen Freiheit“ interviewen und nutzen so ein Forum, dass als Leitmedium der Neuen Rechten gilt.

Ihr Gründer und Chefredakteur Dieter Stein, der zudem den Vorsitz des Förderstiftung und Konservative Bildung und Forschung (FKBF) – Stiftungsrats hat, organisierte zudem 2012 die Eröffnung einer „Sammlung Lebensschutz“ in der Bibliothek des Konseratismus [vgl. 20], einer „dem Sammeln und Erhalten konservativer Literatur, wie der Weiterentwicklung konservativen Gedankenguts durch Vorträge und Publikationen [dienenden Bibliothek]“ [21]. Die auf den Stifter Caspar von Schrenck-Notzing zurückgehende Einrichtung ist auch Veranstaltungsort und bewirbt aktuell beispielsweise eine Buchvorstellung unter dem Titel „Europa ohne Identität?-Europäisierung oder Islamisierung“ [22].

Zivile Koalition

Ein weiteres populäres Beispiel für die Verstrickungen von AfD, „Demo für alle“ und LebensschützerInnen ist der Verein „Zivile Koalition“ [23] mit dem Verantwortlichen Sven von Storch, dem Ehemann von Beatrix von Storch, die wiederum für die AfD im Europaparlament sitzt. Frau von Storch unterstützt den „Marsch für das Leben“ und war dort auch schon mehrfach anwesend [24].

Der Verein enthält verschiedene Initiativen, u.a. auch die „Initiative für Familienschutz“, deren Hauptziel der Erhalt der „traditionellen Familienform“ ist und die in Aktionsformen wie der „Demo für alle“ gegen „Frühsexualisierung“ und „Gender Mainstreaming“ protestieren. Gleichzeitig publizieren sie auf ihrer Homepage Artikel zum Thema Lebensschutz, in denen „Frauen“ ein Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper weggenommen wird, wenn sie einem sexuellen Kontakt zustimmen: „Lehnt sie nicht ab oder stimmt sie offensiv zu, dann ist damit gleichzeitig das Selbstbestimmungsrecht der Frau, Wochen später alleine über den Abbruch einer Schwangerschaft als Folgen dieses ‚Aktes’ entscheiden zu können, verwirkt“ [25]. Die Tatsache, dass es hier immer noch nur um den Körper der Frau geht, wird einfach nicht beachtet.

Dazu passend hat auch der Verein die „Zivile Koalition“ die Bürgerinitiative und Petition „Einer von uns“ organisiert, die „den Stopp von EU-Geldern für Forschung mit embryonalen Stammzellen und des Klonens sowie für Abtreibung als Mittel der Bevölkerungskontrolle und der Familienplanung unter dem wohlklingenden Begriff der »sexuellen und reproduktiven Gesundheit« im öffentlichen Gesundheitswesen und in der Entwicklungshilfe [fordert]“ [26]. Die Petition wurde 2014 abgelehnt.

Alle diese Beispiele heißen nicht, dass zwangsläufig alle LebensschützerInnen auch AnhängerInnen von rechtem Gedankengut sein, müssen, es zeigt sich aber, dass es intensive inhaltliche und personelle Verstrickungen und Zusammenarbeit gibt, die nicht unterschätzt werden darf.

Daher gehen wir heute auf die Straße für

  • ein emanzipatorisches Frauen* und Menschenbild

  • gegen die Kriminalisierung von Abtreibungen und begleitetem Suizid

  • für die Selbstbestimmung aller Frauen*

  • Gegen Rassismus und Nationalismus


9https://demofueralle.wordpress.com/page/8/ (Video: abgerufen 12.11. 2016)

17Sowohl evanglikale ChristInnen als auch VetreterInnen von AfD u.a. erkennen nur „die Frauen“ als gebärende Menschen an. Gebärfähige nicht-Frauen sind in ihrem Weltbild nicht vorhanden.

20„Deutschland treibt sich ab“ Eike Sanders, Ulli Jentsch, Felix Hansen, unrast verlag, 2014, S.89