Redebeitrag gegen die „Besorgten Eltern“ auf der „Kundgebung für Vielfalt und ein buntes Miteinander“ am 25.4.2015 in Kassel

Redebeitrag der qrew auf der „Kundgebung für Vielfalt und ein buntes Miteinander“ am 25.4.2015 in Kassel. Organisiert von der AidsHilfe Kassel  gegen eine angekündigte Demonstration der „Besorgten Eltern“

 

Liebe Zuhörer*innen,

wir sind heute hierher gekommen um uns gegen die Besorgten Eltern und für eine emanzipatorische Sexualpädagogik stark zu machen!

Wer sind die „Besorgten Eltern“?

2014 von Mathias Ebert initiiert, beschreibt sich die Initiative „Besorgte Eltern“ selbst als Gegner*innen „jede[r] Form der
Frühsexualisierung ihrer Kinder, in Kitas, Kindergärten und Schulen“. Sie kämpfen außerdem für mehr Gestaltungsrechte in der Schul-­ und Familienpolitik sowie einen besonderen Schutz der Familie als „Keimzelle, Rückgrat und Leistungsträger“.

Unter „Familie“ scheinen „Besorgten Eltern“ relativ eindeutig die heteronormative Vorstellung einer „Vater-
Mutter­Kind(er)“­Familie zu verstehen. Zwar behaupten „Besorgte Eltern“ von sich selbst „gegen Diskriminierung, Homophobie, Umerziehung und Indoktrination“ii zu sein. Jedoch halten sienicht­heteronorme Themen in Schulen für prinzipiell schädlich. Ihre Angstreiche laut einer Vertreter*in der GEW sogar soweit, dass „Besorgte Eltern“ Pädagog*innen denunzierten und Schulen boykottierten!iii

Trotz ihrer eigenen Überzeugungen „gegen Diskriminierung, Homophobie, Umerziehung und Indoktrination“ zu sein scheint die Inititative Menschen aus homo­ und trans*­feindlichen, rechtsextremen und fundamental­christlichen Spektren geradezu magnetisch anzuziehen:

Neben Anhänger*innen rassistischer, antisemitischer und den Holocaust leugnender Gruppen zeigten sich queerfeindliche, christliche Gemeinschaften unter den Demonstrationsteilnehmer*innen. Und im Netz rufen rechtsextreme und islamfeindliche Seiten zur Teilnahme an denDemonstrationen von „Besorgte Eltern“ auf.

In der Presse sorgen derweil vor allem die Redner*innen der „Besorgten Eltern“ wiederholt für Aufsehen: Unter ihnen sind die sich für die Abschaffung der sogenannten „Homoehe“ einsetzende französische Aktivistin Béatrice Bourges, der Vorsitzende des Pius­Brüderschaft­nahen belgischen Instituts „Civitas“ Alain Escada sowie der bekannte, islamfeindliche Verschwörungstheoretiker Jürgen Elsässer.

Die Diskussion um Frühsexualisierung, den besonderen Schutz der heteronormativen Ehe und Familie machen sich ebenso Parteien zunutze. Ein Plakat der AfD­Goslar skandiert „Die einen nennen es Kindesmissbrauch, die anderen Vielfalt. Schluss mit grüner Ideologie. Zum Schutz unserer Kinder!“.  Die CDU geht derweil in Hamburg auf Wähler*innenfang: Nach einem Zwischenfall während der Kundgebung erheben Mitglieder der CDU wegen „antidemokratischer Gesinnungen“ in der Gegenkundgebung Anzeige gegen Unbekannt. Sie versäumen dabei nicht zu erwähnen, dass Politiker*innen der Parteien „Bündnis 90 Die Grünen“ sowie „Die Linke“ Gegenkundgebungen mitorganisieren.

An welcher Stelle stehen wir?

Wir sind für eine emanzipatorische Sexualpädagogik. Emanzipatorische Sexualpädagogik bedeutet für uns die Förderung eines selbstbestimmten und selbstbewussten Umgangs mit Sexualität. Dazu gehört das Wissen und die positive Anerkennung unterschiedlicher sexueller Begehrensformen, geschlechtlicher Identitäten, sexuellen Möglichkeiten und Praktiken sowie den eigenen Bedürfnissen und Grenzen.

Im Moment ist es so, dass Tabuisierungen, Vorurteile und Klisches die öffentlichen Debatten bestimmen. Bezugsgruppen wie Genderqueers, Trans*­Personen, Lesben, Inter*­Personen, Femmes, Guydykes, Asexuelle, Girlfags, Bisexuelle, Poly*­L(i)ebende, Schwule etc. wird erschwert Inhalte mitzugestalten. Abwertungen, Belästigungen und Diskriminierungen sind die Folge!

Für benachteiligte Gruppen müssen Räume der Thematisierung mühsam erkämpft werden. Bildungsinstitutionen sollten ein selbstverständlicher Teil davon sein!

Wir begreifen emanzipatorische Sexualpädagogik als einen Teil politischer Bildung, damit Kinder und Jugendliche Wissen um verschiedenste gleichwertige L(i)ebensformen, Identitäten und Sexualitäten erhalten. Hierzu gehört für uns auch neofaschistische und antifeministische Ideologien und Strukturen abzulehnen und zu bekämpfen!

Aus diesen Gründen fordern wir eine Sexualpädagogik die Wirklichkeiten zeigt, Fragen beantwortet und neugierig macht. Das Wissen über L(i)ebensformen, Identitäten und Sexualitäten wird im Miteinander hergestellt. Emanzipatorische Bildung soll dazu führen, dass Menschen Inhalte bestimmen und nicht umgekehrt Menschen von Inhalten bestimmt werden!

Für die Sexualpädagogik bedeutet dies:

Sexualität muss enttabuisiert und öffentlich verhandelt werden! Es muss diskutiert, Wissen überworfen und Neues hergestellt werden. Menschen sollen sich nicht sagen lassen müssen ob, mit wem, wie oder warum wir miteinander zu schlafen haben! Denn genau das wollen Ideologien wie die der „Besorgten Eltern“! Sie wollen Menschen erzählen welche Sexualität sie haben sollen oder, dass nur in der „Frau/Mann“ Konstellation von „Familie“ zu sprechen sei.

Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!

Für Solidarität mit Refugees, Migrant*innen und antirassistischen Kämpfen!

Für ein emanzipiertes Zusammenleben und queere Gesellschaft!

Ein Gedanke zu „Redebeitrag gegen die „Besorgten Eltern“ auf der „Kundgebung für Vielfalt und ein buntes Miteinander“ am 25.4.2015 in Kassel“

  1. danke für euren Beitrag. Gut dass ihr ihn online gestellt habt.
    Sehr schön und empowernd.
    Eine Nachfrage aber: Geht es in euren Augen bei Sexualpädagogik vorwiegend um Sexualität im Sinne von Sex?
    Ich frage das, weil im letzten Teil des Beitrags genau das suggeriert werden könnte und ich keine Ahnung von dem Themengebiet habe.

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